Interview mit der Berliner Zeitung: "Ich spüre Druck von allen Seiten"

Die Lage am BER mutet manchmal hoffnungslos an. Macht Ihnen Ihre Arbeit eigentlich noch Freude?
Ich bin ein Mensch, der prinzipiell gern zur Arbeit geht. 

Sie sind der einzige Staatssekretär in Deutschland, der sich nur um einen Flughafen kümmert. Fühlen Sie sich eigentlich ausgelastet?
Ja! Ein friedliches Wochenende habe ich nicht mehr. Wenn ich nicht jede Stunde auf mein Handy gucke  um zu schauen, ob irgendeiner angerufen hat, fühle  ich mich schon schief angeguckt. . Diese Anspannung, diese kontinuierliche Beschäftigung mit einem einzigen Thema, das ist schon etwas Besonders. Lust und Frust sind da nah zusammen.

Wie lange wollen Sie noch Flughafenkoordinator sein?
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Klar ist: Ich bin jetzt 65 und damit ein Jahr über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus, meine Tätigkeit ist bis Ende 2014 befristet. Eine Weiterbeschäftigung als Beamter wäre drei Jahre über das 65. Lebensjahr hinaus möglich, doch dem müsste nicht nur ich, sondern auch die Landesregierung zustimmen.

Glauben Sie, dass der BER in Schönefeld jemals in Betrieb geht?
Natürlich. Das ist doch keine Frage!

Es gibt keinen Plan B, woanders einen neuen Flughafen zu bauen?
Nein, das ist doch  völlig abwegig. Wir haben in Schönefeld einen optisch toll aussehenden Flughafen. Den bauen wir fertig und er wird die in ihn gesetzten Hoffnungen ohne wenn und aber nach seiner Eröffnung erfüllen.  

Sie hoffen also, dass der BER in absehbarer Zeit eröffnet wird?
Von absehbarer Zeit haben Sie bislang nicht gesprochen… Aber noch mal: Alle Verantwortlichen wollen, dass der BER so bald als möglich ans Netz geht. 

Sie sagen, dass der BER ein attraktiver Flughafen wird. Aber wird das neue Terminal nicht schon kurz nach   der Eröffnung zu klein sein?
Wenn der BER eröffnet, werden wir jährlich 27 Millionen bis 28 Millionen Fluggäste  haben, dann wäre das  neue Terminal voll ausgelastet  – ob zu 99, zu 100 oder zu 105 Prozent, spielt da nicht die Rolle. Darum sehe ich  die Pläne von Flughafenchef Hartmut Mehdorn, das heutige Schönefelder Terminal  weiter hin zu nutzen, mit Sympathie. Es ist eine charmante Idee, die zusätzliche Kapazitäten verschaffen würde, ohne die Kosten exponentiell zu erhöhen. Wir müssten in Schönefeld alt ein bisschen Komfort ’reinbringen und möglicherweise auch noch das eine oder andere ergänzen.  Doch das wäre billiger als schon jetzt ein Terminal-Satellit  auf dem BER-Vorfeld zu bauen, der eine hohe dreistellige Millionensumme kosten würde. In Schönefeld (alt) könnten Urlaubsflieger abfertigt werden, die nicht auf Umsteigeverbindungen angewiesen sind. Andere Flughäfen haben übrigens auch mehrere Terminals. In diesem Fall wären sie sogar durch eine S-Bahn verbunden.

Und  die Regierungsflugzeuge blieben dann in Berlin-Tegel?
Nein, ich sehe keinen Flugverkehr in Tegel mehr. Die Genehmigung ist  weg, wenn der BER offen ist. Die Start- und Landebahnen wären dann auch für Militär- und Regierungsflugzeuge nicht mehr nutzbar. 

Andere Mehdorn-Ideen fanden Sie nicht so gut.
Es ist ja bekannt, dass ich kein Fan  des Testbetriebs im BER-Nordpier war.

Warum nicht?
Ich muss  keine Diskussionen von gestern mehr führen. Es ist vorbei, das Modell ist   aufgegeben.

Wie sieht es am Nordpier aus?
Nach allem, was ich weiß, wird er in diesem Jahr fertig und bauordnungsrechtlich abgenommen sein – möglicherweise schon im April oder Mai. Danach könnte mit dem Südpier dasselbe geschehen. Angesichs der schwierigen Ausgangslage finde ich das  prima. Das ist ein großer Erfolg für Herrn Mehdorn: Ein Teil des BER ist fertig, und  man kann Lehren daraus ziehen.

Wann wird der übrige BER fertig?
Da bin ich  konservativ: Ich sage nur etwas, wenn ich mir  sicher bin.

Sind Sie dem BER-Chef nicht auf Gedeih und Verderb ausgeliefert?
Nein, wir haben keine Schicksalsgemeinschaft. Hartmut Mehdorn ist ein Mann mit Ecken und Kanten. Wir dürfen aber eines nicht vergessen: Der Flughafen istüber mehrere Jahre hinweg in die jetzt bestehende Situation  gekommen. Der Apparat, den die Flughafengesellschaft aufgebaut hat, war nicht schlagkräftig genug, das Ding zu steuern. Darum  kann man Herrn Mehdorn jetzt nicht sagen: Warum  kriegst Du das in einem Jahr nicht hin? Das finde ich unfair. Sicher, auch ich streite mit ihm manchmal. Aber wir können ihn nicht für die ganze Misere verantwortlich machen, in die der BER hineingeraten ist. 

Wie nah sind die Kosten  schon an der Sechs-Milliarden-Euro-Marke?
Die FBS ist vom Aufsichtsrat aufgefordert, einen Zeit- und Kostenplan vorzulegen. Alle sind gut beraten, den abzuwarten und die Debatte nicht mit Spekulationen anzuheizen.

Werden wir am 11. April, wenn der Flughafen-Aufsichtsrat tagt, endlich mehr darüber hören?
Auch darüber, was dann an belastbaren Zahlen da sein wird, mache ich derzeit keine Prophezeiungen.

Was würde passieren, wenn  Hartmut Mehdorn sagen würde: Ich habe keine Lust mehr, ich werfe hin?
Das wird er das nicht tun. 

Sein Vorhaben, die künftige BER-Nordbahn in diesem Jahr zu sanieren, kann Mehdorn nicht umsetzen.  Wie erklären Sie sich, dass er bis zuletzt daran festhielt, dass der Schallschutz für die Betroffenen erst am Tag der Flughafen-Eröffnung gewährleistet sein muss?
Wir haben andere Rechtsauffassungen. Die Flughafengesellschaft sagt: Wenn die Nordbahn rekonstruiert und der Betrieb auf die Südbahn verlagert würde, wäre das nur eine vorübergehende interne Maßnahme. Der  Planfeststellungsbeschluss, der Schallschutz für die Anwohner vorsieht, würde dann noch nicht wirken. Aus seiner Sicht wirkt die Argumentation logisch, nur wird sie  von der Genehmigungsbehörde nicht geteilt.

Wann hat die Behörde ihren Standpunkt verdeutlicht?
Nach meiner Kenntnis relativ früh. Nicht erst 2014.

Wie geht es nun weiter?
Die Nordbahnsanierung, die vier bis fünf Monate dauert, könnte nun 2015 erfolgen, am Besten im Frühling und im Sommer. Dann gäbe es für jeden potenziellen Eröffnungstermin kein Problem.

Ein Eröffnungstermin im Herbst 2015.
Ich wiederhole mich ungern…

Der aber offenbar gehandelt wird.
Ich beteilige mich nicht an Spekulationen.

Thema Nachtflugverbot: Ist dieser Streit nicht ein Spiel, in dem jeder seine Rolle ausfüllt? Sie müssen sagen, dass Sie die Forderung des Volksbegehrens nach Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr ernst nehmen – und Herrn Mehdorn muss sagen, dass von diesem Thema die Existenz des neuen Flughafens abhängt.
Das ist kein Spiel. Die Brandenburgische Landesregierung hat einen Verhandlungsauftrag des Landtages. Der Ministerpräsident nimmt den sehr ernst. Darum diskutieren wir ja auch mit den  anderen Flughafengesellschaftern, dem Bund und Berlin. Und da werden wir noch sehen, was herauskommt.

Ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr auf jeden Fall nicht, oder?
Schau’n wir mal. Bei den  Friedensverhandlungen der Israelis und  Ägypter 1978 in Camp David ist am letzten Tag eine Einigung erzielt worden. Ich hoffe immer noch, dass sich die anderen auf uns zubewegen, aber es ist offenbar schwierig.

Wann fällt die Entscheidung?
Wenn sie entscheidungsreif ist. Am  25. März jedenfalls wird in Potsdam die Planungskommission beider Länder tagen. Warum halsen Sie sich diese ganze Arbeit eigentlich auf? Viele Flughafenanwohner betrachten sie in jedem Fall mit Misstrauen.
Sicher, ich spüre Druck von allen Seiten. Aber es ist das wichtigste Infrastrukturprojekt der Region, es hat mich über wesentliche Jahre meines Berufslebens beschäftigt. Und ich kenne die Bürgerinitiativen seit 15 Jahren. Wir können anständig miteinander umgehen. Der gegenseitige Respekt ist da.

Will das Land Brandenburg diesen Flughafen überhaupt noch?
Ja! Brandenburg  blockiert das Projekt nicht.  Wir versuchen allerdings, mit den Gesellschaftern nochmals nachzudenken, wie der BER eine bessere Akzeptanz im Flughafenumfeld erreicht. Das  muss erlaubt sein. Ich habe immer gesagt, wenn der BER  abends eine Stunde früher zu- oder morgens eine  Stunde später aufmacht,  dann ist das wirtschaftlich ertragbar

Wissen Sie  schon, wohin Sie im Herbst 2015 vom BER fliegen?
Nein. Aber  ich fliege gern. Im Februar bin ich in Marrakesch gewesen, über Ostern reise ich nach Lissabon. Ich bin ein Reisefan, wie er im Buche steht – und so bald als möglich fliege ich vom BER.