Rede des Ministerpräsidenten vor dem Brandenburger Landtag

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einen kurzen Rückblick: Nach dem erfolgreichen Volksbegehren und den entsprechenden Landtagsbeschlüssen haben wir als Landesregierung unmittelbar die Initiative ergriffen und unseren Mitgesellschaftern sachgerechte Lösungsvorschläge im Sinne dieser Volksinitiative unterbreitet. In einer Vielzahl von Verhandlungsrunden in der Gesellschafterversammlung, in der Landesplanungskonferenz und im Aufsichtsrat haben wir immer und immer wieder unsere Argumente dargelegt. Wir haben für diese Volksinitiative gekämpft. Ich kann nur wiederholen: Die Haltung unserer Mitgesellschafter hat mich tief enttäuscht. Denn selbstverständlich haben wir alle - ich wiederhole: alle - gangbaren Möglichkeiten zur Umsetzung dieses Volksbegehrens ausgeschöpft. Ich erinnere daran: Das Begehren der Initiatoren war konkret darauf gerichtet, in das Landesentwicklungsprogramm ein Nachtflugverbot aufzunehmen. Wir haben uns bei der Vorbereitung der gemeinsamen Landesplanungskonferenz mit der Forderung der Initiatoren noch einmal gründlich auseinandergesetzt. Nach der Sitzung am 7. Mai ist jedoch eindeutig klar gewesen, dass keine rechtlich zulässige Möglichkeit besteht, über Raumordnung und Landesplanung ein erweitertes Nachtflugverbot für den planfestgestellten BER durchzusetzen. Das habe ich dem Sonderausschuss BER hier im Landtag und der Öffentlichkeit dann auch unverzüglich mitgeteilt. An dieser rechtlichen Situation würde die von manchen geforderte Aufkündigung der gemeinsamen Landesplanung mit Berlin nichts, aber auch gar nichts ändern. Unsere Partner waren nicht einmal bereit, einen von uns vorgetragenen Kompromissvorschlag mitzutragen, mit dem wir ihnen deutlich entgegengekommen sind. Ich habe diesen Kompromissvorschlag auch dem Landtag vorgestellt; daran können Sie sich sicherlich erinnern. Er sah vor, dass wir eine freiwillige Aussetzung der Betriebsgenehmigung zwischen 5 und 6 Uhr erreichen und damit deutlich mehr Nachtruhe für die Anwohnerinnen und Anwohner bekommen. Die Ablehnung unserer Anträge hat eindeutig offenbart, wer auf dem Bremspedal steht, wenn es um mehr Nachtruhe für die Anwohnerinnen und Anwohner des BER geht. Dieses Wissen kann uns allerdings nach allem engagierten Ringen nicht zufriedenstellen. Wir richten unsere Anstrengungen jetzt intensiv darauf, dass der BER möglichst schnell funktionsfähig und auch - das gehört für uns dazu - vom Umfeld akzeptiert ans Netz gehen kann. Dafür stehen unsere Mitglieder im Aufsichtsrat, und dafür steht auch die von mir geführte Landesregierung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann jeden verstehen, der sich angesichts der aktuellen Situation Sorgen um das Projekt BER macht. Dennoch möchte ich an dieser Stelle vor Schwarzmalerei und täglich neuen Gutachten über die vermeintliche Wirtschaftlichkeit dieses Projektes nach Inbetriebnahme warnen. Denn zur Wahrheit gehört, dass der Flughafen schon jetzt ein Wachstumstreiber und Jobmotor für die gesamte Region ist. Das, lieber Herr Goetz, soll keineswegs von der Debatte ablenken, aber es gehört eben zur Wahrheit dazu, und das wissen Sie sehr genau. Alleine im Jahr 2013 wurden im Umfeld des Flughafens Berlin Brandenburg über 90 Unternehmensansiedlungen bzw. Erweiterungsprojekte auf den Weg gebracht. Es sind allein im vergangenen Jahr 4 100 neue Arbeitsplätze dort entstanden, alleine im Jahr 2013. Die Region hat sich mittlerweile deutschlandweit als einer der führenden Standorte für die Luftfahrtindustrie entwickelt. Und die Investitionen, meine sehr verehrten Damen und Herren, reißen nicht ab. Im Gegenteil, Rolls-Royce Dahlewitz investiert aktuell 65 Millionen Euro in einen neuen Teststand für hochmoderne Getriebe - um nur ein Beispiel zu nennen. Auch für die Bewohnerinnen und Bewohner des Umlandes selbst bietet dieser Flughafen Perspektiven - bei allen Belastungen, die ein solches Infrastrukturprojekt auch immer mit sich bringt. Schon jetzt bemerkt man eine regelrechte Magnetwirkung. Die Bevölkerungszahl in den Anrainerkommunen steigt stetig. Es sind vor allen Dingen Fachkräfte und junge Familien, die hinzuziehen, und das ist ein Gewinn für die Region. Wir können also festhalten: Bei aller Unzufriedenheit über den Fortgang des Projektes insgesamt hat der Flughafen der Region schon einen enormen Schub verliehen. Und das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, kein Zufall; jede Flughafenregion zieht Investoren und somit Arbeitskräfte an. Am BER kommt noch dazu, dass es sich um den Hauptstadtflughafen handelt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nicht nur die Flughafenregion erlebt einen Boom, sondern auch der Luftverkehrsstandort Berlin-Brandenburg. Nirgendwo in Deutschland nehmen die Passagierzahlen so rasant zu wie hier in unserer Hauptstadtregion. Für unsere beiden Flughäfen Schönefeld und Tegel waren die letzten Jahre eine Erfolgsgeschichte, 2013 sogar ein absolutes Rekordjahr. Ich habe keine Zweifel, dass der BER dieses Passagierwachstum weiter steigern wird. Als der neue Flughafen geplant wurde, ist man noch von 17 Millionen Passagieren ausgegangen. Einige der Kollegen, die hier im Landtag sitzen und schon länger dabei sind, können sich noch an die damaligen Debatten erinnern. Viele Kritiker haben gesagt, diese Zahlen seien viel zu hoch gegriffen. Damals ist man von 17 Millionen Passagieren ausgegangen, später ist man von 22 Millionen ausgegangen. Im vergangenen Jahr wurde zum ersten Mal die Marke von 26 Millionen erreicht, und ein Ende dieser Steigerung ist nicht in Sicht. Umso wichtiger ist mir, dass die Flughafengesellschaft ihren Worten Taten folgen lässt und eine verlässliche Marschroute bis zur Fertigstellung dieses Flughafens vorlegt. Wir brauchen endlich vernünftige und belastbare Kosten- und Zeitpläne. Wir wollen Fakten und keine weiteren Vertröstungen. Da wir bei den Fakten sind: Es wird erst dann ein neuer Eröffnungstermin genannt, wenn auch ganz sicher feststeht, dass er eingehalten werden kann. Natürlich gibt es beim BER noch große Baustellen, auch das ist eine Tatsache. Und ich kann und will da auch nichts schönreden. Darüber hat dieses Parlament, insbesondere der Sonderausschuss BER, in den letzten Monaten sehr ausführlich diskutiert. Ich will die Gelegenheit nutzen und dem BER-Sonderausschuss hierfür meinen Dank aussprechen. Der Sonderausschuss hat sämtliche Aspekte des Flughafenbaus kritisch begleitet und von der Flughafengesellschaft ein hohes Maß an Transparenz eingefordert. Ich denke, der vorliegende Tätigkeitsbericht macht deutlich, dass hier engagiert und fachlich fundiert gearbeitet worden ist. Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Thema Lärmschutz sagen, einem Thema, das uns alle bewegt: Vom Bund und auch von Berlin wird uns vorgehalten, dass Brandenburg den Planfeststellungsbeschluss und die Regelung über Nachtflüge, die Teil dieses Beschlusses ist, mitgetragen habe, aber jetzt von diesem gemeinsam beschlossenen Pfad abweiche. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, das ist richtig. Aber zwischen 2004 und 2013 hat sich einiges geändert: Erstens ist die Sensibilität in Sachen Lärmschutz bei betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern deutlich gestiegen. Das ist eine Tatsache, die man übrigens nicht nur im Flughafenumfeld von Berlin-Schönefeld zu verzeichnen hat, sondern auch in anderen Flughafenregionen. Zweitens ist auch die Anzahl der betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner durch den Einwohnerzuwachs in den betroffenen Gemeinden deutlich gestiegen. Lärmschutz ist ein viel diskutiertes Thema geworden, und Lärmschutz wird ein viel diskutiertes Thema bleiben. Diese in der Bevölkerung deutlich gewachsene Sensibilität hat das Volksbegehren klar zum Ausdruck gebracht. Die Landesregierung will keinen Flughafen bauen, den die unmittelbar betroffene Bevölkerung ablehnt. Ein erfolgreicher Flughafen braucht den Frieden mit dem Umland. An dieser Stelle will ich auch die Arbeit des Regionalen Dialogforums Flughafenregion nicht unerwähnt lassen. Als Landesregierung bekennen wir uns ausdrücklich zum Stellenwert der Bürgerbeteiligung, und ganz nebenbei leistet das Dialogforum einen wichtigen Beitrag zum Zusammenwachsen der beteiligten Kommunen zu einer Airportregion mit großen Wachstumschancen. Es gibt Stimmen, die im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Berlin weitergehende Konsequenzen fordern. Diese politische Diskussion muss in der Tat geführt werden, ohne falsche Rücksichtnahme, aber auch, meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne emotionale Schnellschüsse; davor warne ich ausdrücklich. Es kann nicht im Interesse unseres Landes sein, die erfolgreiche Entwicklung der Hauptstadtregion, von der wir Brandenburgerinnen und Brandenburger ganz erheblich profitieren, grundsätzlich aufs Spiel zu setzen. Und vor allem helfen uns diese Forderungen in der aktuellen Debatte um die Nachtruhe überhaupt nicht weiter. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage ganz klipp und klar: Wir sind mit den Ergebnissen der Gremiensitzungen, das heißt der Landesplanungskonferenz und der Gesellschafterversammlung, alles andere als zufrieden. Aber wir haben jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder wir versinken in Selbstmitleid oder wir diskutieren nach vorne und richten unseren Blick auf das, was wir für die Anwohnerinnen und Anwohner des BER ganz konkret erreichen können. Ich, meine Damen und Herren, bin für Letzteres, darauf wollen wir uns konzentrieren. Die Rede ist hier beispielsweise von baulichen und betrieblichen Maßnahmen. Insoweit wurde Brandenburg vonseiten der anderen Gesellschafter Unterstützung zugesichert. Die Gesellschafterversammlung hat die Geschäftsführung beauftragt, alle Initiativen zu prüfen, die durch sogenannte technische Lösungen zu mehr Nachtruhe führen können. Das ist zweifelsohne nicht der ganz große Durchbruch in Sachen Lärmschutz. Aber Lärmschutz ist eine komplexe Aufgabe und lässt sich nicht nach Schema F erreichen. Jeder einzelne Baustein zählt. Dazu gehören eben auch die technischen und betrieblichen Maßnahmen. Es geht hier darum, an der Quelle des Lärms anzusetzen. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, dass das Urteil des OVG zum Schallschutz von der FBB zügig umgesetzt wird. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bau des BER stellt alle Beteiligten zweifelsohne vor große Herausforderungen. Genau deshalb brauchen wir den Schulterschluss. Es kommt darauf an, dass Aufsichtsrat, Gesellschafter und Geschäftsführung an einem Strang ziehen. Die brandenburgische Landesregierung ist dazu bereit. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. - Danke schön. (Link zum Plenarprotokoll zur 97. Sitzung, Freitag, 27. Juni 2014)