"Ich habe großes Verständnis für Herrn Mehdorn"

Potsdam/Schönefeld. Nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister Berlins und als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft leitet heute ein Brandenburger die Jahresklausur der Kontrolleurinnen und Kontrolleure: Rainer Bretschneider, der Flughafenkoordinator in der Potsdamer Staatskanzlei, führt das Gremium kommissarisch, bis die Vorsitz-Nachfolge geklärt ist. Im Interview mit der Berliner Zeitung äußerte er sich vorab unter anderem zu der Frage, warum und wie der BER noch während seiner Fertigstellung weiter wachsen wird.  

"Ich habe großes Verständnis für Herrn Mehdorn"

Berlin – Der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft hat nach dem Rücktritt von Klaus Wowereit keinen Vorsitzenden mehr. Kommissarisch wird darum der brandenburgische Flughafen-Staatssekretär Rainer Bretschneider (SPD) die Sitzung des Gremiums an diesem Freitag leiten. Wir sprachen mit ihm über die Kritik an Hartmut Mehdorn, den Eröffnungstermin für den neuen Flughafen und die Pläne zum Ausbau des Terminals.

Herr Bretschneider, wundern Sie sich nicht manchmal?
Warum?

Dem BER-Architekten von Gerkan wurde gekündigt, die Flughafen-Geschäftsführer Körtgen, Amann und Schwarz wurden ebenfalls entlassen, der Aufsichtsratsvorsitzende Wowereit hat sein Amt aufgegeben, der Stuhl des Flughafenchefs Mehdorn scheint zu wackeln – aber Sie sind noch da. Das ist verwunderlich.
Beamte sind besonders sesshaft. Sie stehen auch nicht so im Fokus. Und mit Herrn Wowereit will ich mich nicht vergleichen, er hat eine ganz andere Flughöhe als ich.

Träumen Sie nachts vom BER?
Ich träume auch vom BER, auch von handelnden Personen.

Gehen Sie in Ihren Träumen gegen handelnde Personen vor?
Meine Träume sind sehr kreativ, sowohl positiv als auch negativ.

Aus dem Umfeld von Hartmut Mehdorn ist zu hören, dass er manchmal am liebsten alles hinwerfen würde. Können Sie das verstehen?
Ich bin kein Diplom-Psychologe. Allerdings ist es in der Tat so, dass dieses Projekt Lust und Frust bietet. Es gibt schwierige Situationen. Wie er sie gefühlsmäßig verarbeitet, mag er mit sich selbst ausmachen. Ich wünsche Herrn Mehdorn viele gute Gefühle.

Bleibt Mehdorn bis zum Vertragsende März 2016 auf seinem Posten – oder geht er vorzeitig?
Herr Mehdorn hat einen Vertrag, und daran halten wir uns.

Wird er wie üblich ein Jahr vorher erfahren, wie es mit ihm weitergeht?
Bei allen Auseinandersetzungen, die es gibt, erachte ich das als ein Gebot der Fairness. Doch eins nach dem anderen. Im Moment steht für uns ein schlagkräftiger Aufsichtsrat auf der Tagesordnung. Ich finde, Brandenburg hat da in den vergangenen Tagen gut vorgelegt.

Bislang hieß es, dass Hartmut Mehdorn an diesem Freitag präzisieren wird, in welchem Zeitraum eine BER-Eröffnung möglich ist. Doch wir haben den Eindruck, dass es den Flughafengesellschaftern gar nicht lieb wäre, sich schon wieder auf Termine festzulegen.
Sie können mir glauben, dass wir alle – Politik, Anwohner und vor allem die Wirtschaft – sehnsüchtig auf einen Termin warten. Möglicherweise sind wir heute Abend klüger, wie belastbar ein Termin oder ein Terminband ist. Wichtig ist: Wir brauchen qualifizierte Daten und Fakten, wir brauchen eine Entscheidungsgrundlage, um eine Sachdiskussion zu führen.

Also doch lieber keine Termine.
Nochmal: Die Frage ist, wie belastbar die Daten sind, um schlüssig zu einem Termin zu kommen. Was nützt mir ein Terminband, das schon bald keinen Bestand mehr hat? Was nützt mir ein Termin, der nicht gilt? Darum will ich jetzt keine Termine mehr nennen, wenn sie nicht belastbar sind.

Ist das Land Brandenburg mit Mehdorns Arbeit zufrieden?
Ich habe großes Verständnis für ihn, Herr Mehdorn hat viele Probleme geerbt.

Es gibt den Vorschlag, die Flughafengesellschaft FBB in eine Betriebs- und eine BER-Projektgesellschaft zu spalten. Was halten Sie von dieser Idee?
Hier müsste mir ein Jurist erst einmal erklären, welche Konsequenzen die Trennung der internen Finanzströme und Verantwortlichkeiten hätte. Wenn ich eine neue Organisationsform schaffe, muss ich absolut davon überzeugt sein, dass sie qualitativ deutlich besser ist als die alte. Wenn das überzeugend nachgewiesen wird - warum nicht?

Eine andere Frage ist, wie die Aufsicht über die Flughafengesellschaft organisiert wird.
Dazu will ich eines sagen: Aus meiner Sicht ist die Diskussion völlig falsch gewichtet. Der Aufsichtsrat baut keinen Flughafen, das macht immer noch die Geschäftsführung mit den entsprechenden Unternehmen. Die Geschäftsführung muss ordentlich arbeiten und den Aufsichtsrat adäquat informieren und belastbare Daten und Fakten vorlegen. Beide müssen vertrauensvoll zusammenarbeiten.

Engagiert sich der Bund eigentlich inzwischen stärker für den BER?
(Schweigt.)

Auch eine Antwort.
Ich komme mit den beiden Staatssekretären gut klar.

Würde der BER morgen öffnen, wäre er schon bald zu klein. Stimmt es, dass Pier Nord und Pier Süd darum Anbauten bekommen könnten?
Wir werden an diesem Freitag einen Vorschlag dazu diskutieren. Er läuft darauf hinaus, den Pier Nord durch einen eigenständigen Anbau – ähnlich dem Terminal C in Tegel – zu erweitern und mit Abfertigungsanlagen auszustatten. Der Anbau soll einen Zugang von außen bekommen und mit den Wartebereichen des Piers verbunden werden. Er bekäme Check-in-Schalter, eine eigene Gepäckanlage, eine eigene Security und auch eine separate Brandschutzanlage. Ob der Anbau bei der BER-Eröffnung fertig ist, wissen wir noch nicht, ich würde es nicht ausschließen. Eine ähnliche Lösung wäre auch beim Pier Süd denkbar, aus meiner Sicht ist das aber Zukunftsmusik. Gebraucht werden eine Baugenehmigung für die Gebäude und eine Planfeststellung, weil an den Anbauten Flugzeuge abgestellt werden sollen. Aber Vorsicht, das sind erste Ideen, die Planungen müssen konkretisiert und die Finanzmittel bereitgestellt werden.

Ein Anbau für den Pier Nord: Was hätte das für Vorteile?
Kostenersparnis, Verzicht auf die aufwendige und teure Sanierung von Schönefeld-Alt, zumindest zunächst auch auf den bisher vorgesehen Bau von Satellitengebäuden auf dem Vorfeld, für die sehr viel Geld erforderlich wäre. Dazu die Realisierung des Regierungsflughafens, wie ursprünglich geplant am Standort Schönefeld-Alt, Kapazitätserweiterung des BER um circa acht bis zehn Millionen Passagiere. Die geplanten Satelliten hätten noch einen anderen Nachteil: Um sie vom Terminal aus zu erreichen, müssten Rollwege der Flugzeuge gekreuzt werden, was betriebliche Probleme schafft. Mit den Anbauten müssten die Passagiere nicht das Nadelöhr der Abfertigung in der zentralen Halle passieren, sie müssten auch nicht sehr weit laufen. Im Terminal ist nach jetzigem Stand Platz für 27 Millionen bis 30 Millionen Passagiere pro Jahr. Anbauten am Pier Nord und am Pier Süd erbrächten eine Kapazitätserweiterung um zweimal acht Millionen – dann hätte der BER eine Kapazität von rund 45 Millionen. Das reicht auf lange Sicht.

Bislang war davon die Rede, dass das Terminal des heutigen Flughafens Schönefeld (SXF) noch viele Jahre weiter betrieben werden muss, wenn der BER eröffnet ist. Hat sich daran etwas geändert?
Wie gesagt: Wenn Schönefeld-Alt länger in Betrieb bleiben sollte, würde es sehr teuer werden. Es wäre erforderlich, die Anlage von Grund auf zu modernisieren. Alle wichtigen Systeme müssten erneuert werden. Dort fährt man seit Jahren auf Verschleiß, genau wie in Tegel. Sie müssten zum Beispiel die gesamte alte Gepäckanlage abreißen, es wären große Umbauten erforderlich. Ein dreistelliger Millionenbetrag müsste investiert werden. Darum kamen jetzt die Planer von Herrn Mehdorn zum Schluss: Schönefeld-Alt bleibt allenfalls zwölf bis 18 Monate lang offen – bis der Anbau am Pier Nord fertig ist. Einen längeren Weiterbetrieb in Schönefeld wird es nicht geben.

Das Gespräch führten Frederik Bombosch und Peter Neumann.