Staatskanzlei

Jahrestagung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft

Auszüge aus der Rede von Ministerpräsident Matthias Platzeck auf der Jahrestagung des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft am 03. Oktober 2003 in Potsdam

veröffentlicht am 03.10.2003

In seiner Rede erinnerte Ministerpräsident Platzeck an das schwere Erbe, das die Kommunen 1990 bei zahllosen Kulturdenkmälern in Ostdeutschland vorfanden. Er führte aus: „In dieser Situation kamen die Förderer, Institutionen, Stiftungen, Privatpersonen ins Spiel, die mithelfen wollten, der Kulturlandschaft aufzuhelfen. Auch der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft hat es nicht bei oberflächlichen Gesten und wohlmeinenden Reden belassen, sondern die Mithilfe beim Wiederaufbau der neuen Bundesländer zu einem Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht. Gleich mehrfach fanden auch die Jahrestagungen in Ostdeutschland statt. Die bei diesen Anlässen diskutierten Themen belegen, dass Sie nicht mit vorgefertigten Meinungen über die neuen Länder in Ihre Beratungen gingen. Sie wollten ein Zeichen setzen und mehr erfahren über die hiesigen Verhältnisse und Befindlichkeiten. Dass Ost und West in kultureller und künstlerischer Hinsicht inzwischen gleichermaßen attraktiv sind und speziell der Osten viel Neues und neu Errichtetes zu bieten hat, ist nicht zuletzt auch das Verdienst Ihrer Förderung. Potsdam mit seinen zahlreichen, unschätzbar wertvollen Kunst- und Kulturgütern, von denen viele Dank großzügiger Spenden restauriert oder zumindest bewahrt werden konnten, ist ein herausragendes Beispiel dafür, welche Strahlkraft Mäzenatentum entwickeln kann. Sie kennen vielleicht schon einige der jüngst wieder dem Publikum zugänglichen Orte dieser alten hohenzollernschen Residenzstadt. Das Krongut Bornstedt zum Beispiel. Bornstedt ist mit seiner mediterran-italienisch inspirierten Architektur nicht nur in baugeschichtlicher Hinsicht ein Kleinod. Immer wieder fanden sich hier auch ganz unterschiedliche Künstler oder Gelehrte ein, die sich von der entspannten märkischen Atmosphäre anregen ließen. Das schon im 18. Jahrhundert als Publikumsmagnet geltende Mustergut der Hohenzollern ist nur ein Fall von vielen. Ob das wunderbar restaurierte Holländerviertel, die russische Siedlung Alexandrowka, die böhmischen Weberhäuser Alt Nowawes, die Französische Kirche oder viele andere Gebäude mehr – Europas Architektur aus den verschiedenen Epochen ist in Potsdam allgegenwärtig. Ein aus Potsdamer Sicht folgerichtiger und alles andere als vermessener Schritt ist deshalb die Bewerbung um die Anerkennung als „Kulturstadt Europas“ im Jahr 2010. Die Stichworte Potsdam und Mäzenatentum verbinden sich für mich und viele dankbare Bürgerinnen und Bürger mit dem Namen eines Mannes, der Großes für die brandenburgische Landeshauptstadt geleistet hat. Sein Sohn gehört dem Vorstand des Kulturkreises an. Werner Otto hat sich mit seinem rastlosen, großzügigen Einsatz um das Land Brandenburg verdient gemacht. Er hat sich in die Geschichtsbücher der Stadt Potsdam eingeschrieben. Für seine Verdienste um die deutsche Hauptstadtregion wurde er jüngst mit der Ernst-Reuter-Plakette des Landes Berlin geehrt. Eine Ehrung, die zumindest symbolisch zum Ausdruck bringt, welche Dankbarkeit wir empfinden. Mir ist durchaus bewusst, dass sich unter den heute Anwesenden eine ganze Reihe von Mitgliedern traditionsreicher deutscher Unternehmerfamilien befinden, die ebenfalls als Stifter in Erscheinung treten. Mein Dank gilt Ihnen allen. Seit über 50 Jahren macht sich der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft um die Förderung von Künstlern und künstlerischen Projekten verdient. Über 1.000 Künstlerinnen und Künstler sind in den Genuss einer Förderung gekommen. Für viele von ihnen war dies der Beginn einer glanzvollen Karriere. Das Engagement des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft geht jedoch weit über diese Einzelförderungen hinaus. Überaus begrüßenswert ist das Bestreben, im Sinne der inzwischen immer populärer werdenden „Öffentlich-Privaten-Partnerschaften“ Verantwortung mitzutragen. Der Kulturkreis stellt sich an die Seite förderungswürdiger Projekte und Initiativen und setzt dadurch wichtige Impulse. Ein schönes Beispiel ist die Unterstützung des von Privatleuten initiierten Brandenburgischen Kunstvereins durch den Kulturkreis. Durch Ihr Zutun wurde ermöglicht, dass der Verein Ausrichter für die Vergabe der diesjährigen Förderpreise im Bereich Bildende Kunst sein und die damit verbundene Ausstellung „ars viva“ präsentieren kann, auf der eine Werkauswahl der Preisträger zu sehen sein wird. Egal welches Projekt von Stiftungen oder privaten Geldgebern gefördert wird, immer profitieren viele Seiten von diesem Einsatz. Die unmittelbaren Nutznießer, das Gemeinwesen insgesamt und auch die Stifter. Die Reform des Stiftungsrechts hat diese Form der Investition für Stiftungswillige attraktiver gemacht. Die Infrastruktur an sozialen, künstlerischen oder gesellschaftspolitischen Angeboten wird verbessert und insgesamt wächst das Verantwortungsgefühl der Bürgerinnen und Bürger. Ein reicher Gewinn also. Allerdings bleibt gerade im Vergleich mit den angelsächsischen Ländern anzumerken, dass die Stifter und Mäzene in Deutschland mit öffentlichem Lob und angemessener Anerkennung ihrer Leistungen nicht gerade verwöhnt werden. Ein Mentalitätswandel ist in Gang gekommen, ihn weiter zu stärken, halte ich für dringend geboten. Oft wird die goldene Vergangenheit beschworen und darauf verwiesen, dass früher alles besser gewesen sei. Im Zusammenhang mit dem Stiftungswesen trifft das sicher nicht zu. Ein Blick zurück in die Vergangenheit lässt vielmehr unsere Gegenwart in einem positiven Licht erscheinen. Denken Sie nur an die Stiftungspraxis im Mittelalter: Damals profitierte die Allgemeinheit nur äußerst begrenzt von den guten Gaben der Gläubigen. Die Vermögen wanderten größtenteils in die Kassen der geistlichen Obrigkeit, denn die frommen Spender erhofften sich damit ihr Seelenheil zu erkaufen. Erst langsam entstand eine Tradition wohltätiger Spenden und weltlich motivierter Stiftungen, die nicht den Umweg über staatliche oder halbstaatliche Instanzen nahmen, sondern sich direkt als selbstbewusste Akteure in die Gesellschaft einbrachten. Die DDR lehnte diesen Gedanken wiederum ganz ab. Wer sich für das öffentliche Wohl ohne staatliche Einbindung engagierte, war in hohem Maße verdächtig. Wir haben diese Form der Entmündigung glücklicherweise hinter uns gelassen. In den Zeitungen wird allerdings heute nicht selten geschrieben, dass die Staatsgläubigkeit als Grundstimmung in Ostdeutschland fortwirkt. Zuletzt machte diese Kritik im Zusammenhang mit der Allensbacher Erhebung zur mangelnden Reformbereitschaft gerade der Brandenburger die Runde. Ich warne vor schnellen Schlüssen. Die Menschen in Brandenburg sind sicher alles andere als staatsgläubig. Reformwilligkeit hat etwas mit der materiellen Lage zu tun. Schaut man aufmerksam hin, ist zu sehen, dass in West- wie in Ostdeutschland unterhalb einer bestimmten Einkommensgrenze kaum Bereitschaft besteht, zusätzliche private Risiken zu übernehmen. Ich denke, das kann jeder nachvollziehen. Daher ist es für uns so entscheidend, dass die Reformen auf dem Arbeitsmarkt zu greifen beginnen. Bewegt sich etwas bei den Unternehmen, entstehen neue Arbeitsplätze und Einkommenschancen, wächst auch der Mut zur Eigenverantwortung. Eine neue wirtschaftliche Aufbruchsstimmung täte nicht zuletzt der privaten Kulturförderung gut. Es sind ja oftmals erfolgreiche Unternehmer, die sich in ihrer Stadt, ihrer Region besonders einbringen. Verantwortliches Unternehmertum denkt nicht an die nächstliegende Steueroase, sondern fühlt sich mitbetroffen vom Schicksal der Gesellschaft, zu der die Unternehmerinnen und Unternehmer als aktive Bürger gehören. Daran sollten wir am heutigen Tage und aus Anlass dieses feierlichen Treffens gemeinsam erinnern. Wir haben allen Grund, uns über die Beiträge unzähliger Spender und Förderer zu freuen. Sie gehören heute zu den Vorbildern des Gemeinwesens. In diesem Sinne richte ich denn auch die herzliche Bitte an Sie alle: Bleiben Sie uns auch in Zukunft als Mitstreiter für unsere Kultur erhalten und fahren Sie fort mit Ihrem beeindruckenden Engagement!“