Staatskanzlei

Neue Initiative zur Gleichstellung des Deutsch-polnischen Jugendwerks mit Deutsch-französischem Pendant

veröffentlicht am 14.04.2004

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck 17 Tage vor der EU-Osterweiterung zum deutsch-polnischen Verhältnis: „Nichts ist so stabil, dass es nicht weiter sorgfältig gepflegt werden müsste.“ – Neue Initiative zur Gleichstellung des Deutsch-polnischen Jugendwerks mit Deutsch-französischem Pendant Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck plädiert für eine intensive und auf Dauer angelegte Strategie für Verständigung und Vertrauensaufbau im deutsch-polnischen Verhältnis. Diese Strategie könne nur nachhaltig und erfolgreich sein, wenn sie „systematisch darauf angelegt ist, immer mehr Menschen einzubeziehen und immer größere Bevölkerungsgruppen in Kontakt und Austausch miteinander treten zu lassen“, sagte der Ministerpräsident am Mittwoch in einer Rede vor dem Sejmik von Brandenburgs Nachbarwojewodschaft Lubuskie in Zielona Gora. Ausführlich begründete Platzeck bei dieser Gelegenheit seinen Vorstoß, bei der deutschen Bundesregierung das Amt eines ständigen Koordinators für die deutsch-polnischen Beziehungen zu schaffen. Außerdem setzte sich Platzeck dafür ein, das Deutsch-polnische Jugendwerk dem Deutsch-französichen Pendant gleichzustellen. Platzeck betonte, es wäre „ein schwerer Irrtum zu glauben, die polnisch-deutschen Beziehungen bedürften nicht auch in den kommenden Jahren unserer gemeinsamen intensiven Aufmerksamkeit, ja sie würden sich sozusagen ganz von selbst immer weiter verbessern. Wir dürfen uns hier keiner bequemen Illusion hingeben: Selbst die noch so gute und eingespielte Zusammenarbeit auf den Ebenen von Verwaltung und Politik wird dafür alleine kaum genügen. Und auch die Tatsache unserer zukünftigen gemeinsamen Mitgliedschaft in der Europäischen Union garantiert für sich genommen noch nicht, dass auf allen gesellschaftlichen Ebenen aus polnisch-deutscher Nachbarschaft vertrauensvolle Partnerschaft wird – und aus guter Partnerschaft immer mehr auch echte Freundschaft.“ Platzeck erinnerte an die deutsch-polnischen Meinungsunterschiede um das „Zentrum gegen Vertreibungen“, bei der Bewertung des Irak-Kriegs und in den Verhandlungen zur EU-Verfassung. Die Entwicklungen der vergangenen Monate hätten eindrücklich gezeigt: „Nichts ist so stabil, dass es nicht weiter sorgfältig gepflegt werden müsste.“ Platzeck: „Aus diesem Grund habe ich kürzlich Bundeskanzler Gerhard Schröder und Außenminister Joschka Fischer den Vorschlag unterbreitet, bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland das Amt eines ständigen Koordinators für die deutsch-polnischen Beziehungen zu schaffen. Mit einer solchen hochrangigen Funktion hat die Bundesrepublik im Laufe der letzten Jahre in ihren Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und zu Frankreich hervorragende Erfahrungen gemacht. Die Arbeit der Regierungskoordinatoren Karsten Voigt sowie die jüngst verstorbenen Brigitte Sauzay hat die deutsch-amerikanischen beziehungsweise die deutsch-französischen Beziehungen wirkungsvoll stabilisiert und verstetigt. Von der Existenz eines „Seismografen“ dieser Art, der Bewegungen beim Partner frühzeitig wahrnimmt, bevor solche Bewegungen zu Irritationen oder sogar zu politischen Spannungen im bilateralen Verhältnis führen, würde nach meiner Überzeugung auch das deutsch-polnische Verhältnis dauerhaft profitieren. Wir benötigen auf der Ebene unserer nationalen Regierungen zusätzliche effektive Mittel und Wege der frühzeitigen und vorbeugenden Verständigung über unterschiedliche Interessen und Problemdeutungen. Das können darüber hinaus auch ständige Gesprächskreise und Orte regelmäßiger informeller Begegnung sein. Auf jeden Fall aber müssen wir noch intensiver und kontinuierlicher kommunizieren, um – wo nur irgend möglich – Rückschläge zu vermeiden, wie wir sie in den vergangenen Monaten erlebt haben.“ Platzeck sieht in der Aussöhnung mit Frankreich das große Vorbild für das künftige deutsch-polnische Verhältnis. Allerdings erwachse aus der Historie eine noch schwierigere Aufgabe als vor 60 Jahren im Westen. Deutschland und Frankreich seien sich immer „auf Augenhöhe“ begegnet. Eine solche „Balance des Gefühls“ gebe es zwischen Deutschland und Polen seit Jahrhunderten nicht. „Deutschland und die Deutschen unterbewerten die Rolle Polens und der Polen. Dieser optische Knick verstellt den Blick für gemeinsame Verantwortung.“ Als Schlüssel für mehr Verständnis zwischen den Menschen beiderseits der Oder betrachtet Platzeck Begegnungen junger Leute aus beiden Ländern. Der Ministerpräsident führte dazu aus: „Eine der wichtigsten und verdienstvollsten Institutionen ist dabei zweifellos das Deutsch-Polnische Jugendwerk. An den Austauschprogrammen des DPJW haben seit 1993 mehr als 1,2 Millionen junge Leute aus Polen und Deutschland teilgenommen; allein im vorigen Jahr waren es fast 140.000. Ich bin absolut sicher: Jeder einzelne Euro und jeder einzelne Z³oty, den wir hier aufwenden, ist eine höchst sinnvolle Investition in das Gelingen der gemeinsamen Zukunft unserer beider Völker. Ich möchte deshalb folgende Anmerkung machen: Derzeit beträgt die Finanzausstattung des Deutsch-Französischen Jugendwerks etwa 20 Millionen Euro jährlich, die Finanzausstattung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks dagegen nur etwa 8 Millionen Euro. Ich meine, dass hier die Relationen nicht stimmen. Vor dem Hintergrund der noch längst nicht gelösten Aufgabe, die gute Nachbarschaft von Deutschen und Polen im 21. Jahrhundert zu sichern, sie zu festigen und auszubauen, erscheint jedenfalls mir dieser deutliche Unterschied kaum begründbar. Die historische Bedeutung der noch keineswegs vollendeten Aussöhnung unserer Völker sollte sicherlich die Gleichstellung des Deutsch-Polnischen Jugendwerks mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerks rechtfertigen.“