Staatskanzlei

Platzeck: deutsch-polnisches Verhältnis „neu denken“

veröffentlicht am 01.08.2004

Zum 60. Jahrestag des Beginns des Warschauer Aufstandes, der auf polnischer Seite mindestens 165 Tausend Menschen das Leben kostete, betont Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck: Der Warschauer Aufstand ist in Polen Mythos und Trauma zugleich. Mythos wegen des heldenmutigen Kampfes der Untergrundarmee Armia Krajowa (AK) gegen den übermächtigen deutschen Feind. Trauma aufgrund der immensen menschlichen Verluste, der ausgebliebenen Hilfe der Roten Armee und der systematischen Zerstörung ihrer Hauptstadt durch die Deutschen, die der Niederschlagung des Aufstandes folgte. Auf Einladung des polnischen Staatspräsidenten gedenken Alexander Kwasniewski und Bundeskanzler Gerhard Schröder am heutigen 60. Jahrestag der Opfer gemeinsam. In der Gedenkstätte Sachsenhausen ehrt heute der Erzbischof von Gnesen (Gniezno), Henryk Muszynski, die 6.000 Polen, darunter den Kommandanten der Armia Krajowa, General Grot-Rowecki, die nach der Niederschlagung des Aufstandes ins KZ Sachsenhausen deportiert worden. Solche Gesten gemeinsamen Gedenkens dienen dem Prozess der Versöhnung. Wie unvollendet der noch immer ist, zeigen die rückwärtsgewandten Diskussionen dieser Tage. Im Jahr der Aufnahme Polens in die Europäische Union wird in unserem Nachbarland eine heftige Reparationsdebatte geführt, in deren Mittelpunkt die Zerstörung Warschaus vor 60 Jahren steht. Sie ist ihrerseits die Reaktion auf Forderungen der „Preußischen Treuhand“ nach Entschädigung für verlorenes Eigentum ehemals deutscher Bewohner der Gebiete östlich von Oder und Neiße. Aus meiner Sicht ist es notwendig, hier ganz deutlich zu sagen, dass der deutsche Staat solche Forderungen nicht unterstützt. Ich gehe davon aus, dass dies der Bundeskanzler bei seinem heutigen Besuch in Warschau auch tun wird. Deutsche und Polen blicken auf zwei Jahrhunderte ungleicher Entwicklung. Gerade deshalb ist ein gewisses Maß an Sensibilität im Umgang miteinander erforderlich, das manche Akteure vermissen lassen. Und noch etwas scheint mir wichtig: letztlich steht die große Entdeckung Polens, die Anerkennung als anders und gleichberechtigt zugleich, durch die meisten Deutschen noch immer aus. Der Zeitpunkt ist gekommen, die deutsch-polnischen Beziehungen neu zu denken. Bisher geht der deutsche Blick im Alltag zu sehr nach innen. Die im Gegensatz dazu sehr genaue polnische Registrierung der deutschen Denk- und Verhaltensweisen gegenüber Polen wird hierzulande oft zu lange nicht oder nur marginal wahrgenommen. Es braucht einen sensibleren, aufmerksameren Umgang mit Polen. Brandenburg als Bundesland mit der längsten Grenze zu Polen und Partnerschaftsbeziehungen zu sechs Wojewodschaften wird das seine dafür tun.