Staatskanzlei

Platzeck auf 1. Brandenburger Demografiekongress:
„Wir müssen das Altern lernen - Ohne Kinder gibt es keine Zukunft – wir brauchen ein familienfreundlicheres Steuersystem “

veröffentlicht am 01.06.2005

Ministerpräsident Matthias Platzeck hat heute zum selbstbewussten Umgang mit der alternden Gesellschaft aufgerufen und zugleich Vorschläge für ein kinderfreundlicheres Deutschland unterbreitet. Auf dem 1. Brandenburger Demografiekongress in Potsdam sagte er der Alterdiskriminierung den Kampf an und verlangte zugleich eine Politik, die zu mehr Geburten führt. Platzeck sprach vor mehr als 200 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aus der gesamten Bundesrepublik. Der Kongress wurde in Zusammenarbeit zwischen Staatskanzlei und Bertelsmann Stiftung durchgeführt. Platzeck umriss die Dramatik des demografischen Wandels im Land Brandenburg mit den Worten: „Uns fehlen die Kinder. Wir haben ein Problem mit der Abwanderung in den Westen. Wir erleben eine starke Binnenwanderung in Richtung Metropolenregion. Wir werden immer älter. Daraus erwächst Handlungsdruck!“ In seiner Rede verwies Platzeck auf die umfangreichen Arbeiten, die unter Federführung der Staatskanzlei seit Jahren zu diesen Fragen geleistet würden. Erst vergangene Woche habe das Kabinett den 2. Demografiebericht verabschiedet. Brandenburg nehme also die Herausforderung „selbstbewusst“ als „Chance für unsere Gesellschaft“ an. Platzeck weiter: „Statt in Hysterie zu fallen oder Altern ausschließlich als Problem zu betrachten, sollten wir uns vom positiven Geist anderer Nationen anstecken lassen. Wir Deutschen sprechen von Vergreisung, in Japan wirbt man mit dem Slogan ‚Land des langen Lebens’. Der entscheidende Hebel, an dem wir ansetzen müssen, befindet sich in unseren Köpfen. Der Autor Frank Schirrmacher formulierte es so: „Wir müssen das Altern lernen. Die Altersdiskriminierung, wie wir sie uns jetzt noch leisten, wird uns spätestens in 20 Jahren, wenn sich die Mehrheit der Menschen im Seniorenalter befindet, auf die Füße fallen. Die Jagd nach der ewigen Jugend sollten wir einstellen!“ Der Ministerpräsident verlangte zudem endlich damit aufzuhören, ältere Arbeitnehmer aufs Abstellgleis zu schicken. Die Beschäftigungsquote der über 50Jährigen müsse gesteigert werden. Unternehmen würden bald gezwungen sein, sich wesentlich mehr auf Erfahrung und Qualifikation dieser Altersgruppe zu stützen. Als weitere große Chance des demografischen Wandels bezeichnete Platzeck die Stärkung der Bürgergesellschaft. Insbesondere aktive Senioren bildeten hierfür mit ihren Zeitreserven, ihrer Lebenserfahrung und ihrem Wunsch nach anerkannter Tätigkeit ein wertvolles Potenzial. Eindringlich warnte Platzeck davor, die Frage der zu niedrigen Geburtenrate gering zu schätzen. Brandenburg liege mit 1,2 Kindern pro Frau 40 Prozent unter dem Niveau, das für eine stabile Bevölkerungsentwicklung erforderlich wäre. „Ohne Kinder gibt es keine Zukunft“, mahnte Platzeck unter Hinweis auf die Prognose, dass Brandenburgs Einwohnerzahl bis 2050 voraussichtlich auf 1,81 Millionen Menschen schrumpfen wird. „85 Prozent des Bevölkerungsrückgangs werden in den Berlin fernen Regionen Brandenburgs in den kommenden Jahren durch Geburtendefizit verursacht. Die Geburtenrate in Brandenburg entwickelt sich zu einer Katastrophe, wenn wir nicht wirksam und rechtzeitig genug gegensteuern!“ Der Schlüssel liege hierfür zuvorderst in der wirklichen Gleichstellung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt, so Platzeck. Zwar sei die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein „erfreulicherweise oft diskutiertes Thema“. Dennoch sei die Einstellung, Kindererziehung sei Frauensache, bei den Männern noch weit verbreitet. Das müsse sich ändern. Platzeck forderte unter anderem die Einführung eines Familiensplittings statt des Ehegattensplittings. Platzeck verwies auf Prognosen, wonach bis 2015 etwa ein Viertel aller Arbeitnehmer, die dann in Rente gehen, ersetzt werden müsse. Hier lägen Chancen und Perspektiven für junge Leute. Das bedeute, die Anforderungen an die Ausbildungsqualität zu erhöhen. Alles müsse getan werden, um junge Menschen im Land zu halten. Allein 2003 hätten mehr als 20.000 junge Leute im Alter zwischen 14 und 25 Jahren ihre Heimat verlassen. „Wenn wir nicht ausbluten wollen, dürfen wir das nicht länger hinnehmen!“ Platzeck kündigte an, die Landesregierung werde Hand in Hand mit allen gesellschaftlichen Gruppen und der Wirtschaft das konsequente Umsteuern in allen Lebensbereichen angehen, um den demografischen Wandel zu gestalten. Der Doppelhaushalt 2007/2008 werde die Handschrift des Demografieberichts tragen. Zudem forderte er eine Volkszählung, da die vorhandenen Daten auf Volkszählungen vor 18 Jahren in West- und vor 24 Jahren in Ostdeutschland basierten. Platzeck: „Eine Volkszählung zum jetzigen Zeitpunkt könnte gleich zweifach wirken: Statistiken werden korrigiert und die Menschen würden parallel zur Informationskampagne Volkszählung an den demografischen Wandel heran geführt.“